(wte)
Die folgende Geschichte zeigt uns, dass manche Erfindungen nicht erfunden
sondern gefunden werden. Was immer dann der Fall ist, wenn der Erfinder
etwas erhält mit dem er nicht gerechnet hat, was sich aber trotzdem
als (mehr oder weniger) nützlich erweist.
Schon auf der Hobby und Elektronik 2001 in Stuttgart hatte ich die Gelegenheit
Skerns Pseudo-Stereo-SID (PSS) zu bewundern. Und bewundern ist der
richtige Ausdruck, denn es grenzt schon an ein kleines Wunder, wie man
ohne Stereomusik zu einem Stereoklang kommt. Die Geschichte, die hinter
dem PSS steht ist aber fast genauso kurios wie das musikalische Erlebnis
das er bietet.
Angefangen hatte alles - wie bei den meisten Erfindungen - mit einem
Problem. Dirk benutzt seinen CD-ROM-Player, den er an einer CMD Festplatte
betreibt, als Musik-CD-Player. Am Audio-Ausgang seines C128 hängt
zudem ein Paar Aktivboxen, um Computermusik auf seinem Rechner mit dem
gebotenen Klang abspielen zu können. Um die Boxen auch für den
CD-Player nutzen zu können, führte er dessen Stereosignal über
den SID-Analog-Eingang hinein und über den Ausgang wieder hinaus.
Das Ergebnis war - natürlich - ein Mono-Sound. Und folglich unbefriedigend.
Ein Stereo-SID musste her. Dieser wurde, nachdem ein klanglich passender
zweiter SID-Baustein gefunden worden war, fix zusammengebastelt und installiert.
Zwei SIDs bedeuten zwei Audio-Eingänge und zwei Ausgänge. Einem
vollendeten Stereosound stand nichts mehr im Wege. CD-Player und Stereo-SID
lieferten das erwartete Klangerlebnis. Als Zugabe konnte nun auch der volle
Klang von Stereo-Tunes genossen werden.
Die Ernüchterung kam, als der erste Mono-Tune gespielt wurde, denn
die Musik schallte nur noch aus einem Lautsprecher. Man kann halt nicht
immer alles haben. Eine neue Lösung musste her. Folgende Überlegungen
wurden angestellt: (a) die CD-Musik muss in Stereo gespielt werden. (b)
Mono-Tunes müssen aus beiden Lautsprechern kommen. (c) Stereo-Tunes
müssen nicht sein, denn sie sind exotisch und es gibt nur wenige davon.
Aus (a) folgte die Verwendung zweier SIDs, aus (b) die Notwendigkeit
diese über die selbe Adresse anzusprechen. Das Ergebnis war ein Doppel-SID.
Zwei SIDs übereinander, sozusagen Huckepack, an den gleichen Adress-
und Datenleitungen. Nicht verbunden wurden nur die Audio Ein/Ausgänge
und die A/D-Wandler. Außer ein bißchen Elektronik für
die Verstärkerstufe des zweiten SIDs waren keine weiteren Umbauten
notwendig. Für den Computer war es wie ein SID mit zwei Audio-Ein
und Ausgängen.
Alles schien perfekt. Aus den Boxen röhrte Stereomusik vom Player
und Monosound vom C128. Doch dann traten seltsame Erscheinungen auf. Es
waren allerdings keine hörbaren sondern sichtbare Erscheinungen. Die
Maus, unentbehrliches Werkzeug unter GEOS, spielte verrückt. Das war
auch kein Wunder, denn die Maus war am original-SID angeschlossen, der
beim Lesezugriff entsprechende digitale Werte über die Datenleitung
ausgab. Auf der gleichen Datenleitung lieferte zeitgleich auch der zweite
SID (ohne Mausanschluss) seine Werte. Chaos war vorprogrammiert.
Da der zweite SID nur beschrieben werden musste, um Musik zu erzeugen
und ein Lesezugriff eigentlich nicht benötigt wurde, wurde die Schreib-Lese-Leitung
(RW) kurzerhand auf Low Level (0V, Masse) gelegt. Nun konnte nur
noch der original-SID ausgelesen werden. Störungen durch den Zweiten
SID waren ausgeschlossen. Folgerichtig machte die Maussteuerung keinerlei
Probleme mehr.
Und jetzt kommt endlich die Stelle, wo die Erfindung gefunden wird.
Beim Abspielen von Mono-Tunes treten nach dieser letzten Änderung
seltsame Erscheinungen auf. Irgendwie ist der Gleichklang von rechtem und
linkem Lautsprecher nicht mehr gegeben. Fast hat man den Eindruck eines
Stereoklanges. Der Sound wird "breiter".
Interessant ist, dass das Klangerlebnis stark von der Musik selbst beeinflusst
wird. Es gibt Musikstücke, die klingen mit dem Pseudo-Stereo-Effekt
einfach fett! Andere wieder stecken voller Disharmonien. Warum mache Musikstücke
so oder so reagieren ist noch völlig unklar. Es mag an der Art der
jeweiligen SID-Programmierung oder an der Wahl der Harmonien liegen. Musiktheoretiker
sind aufgerufen sich hierzu zu Wort zu melden. Tatsache ist, dass die meisten
Stücke durch den Doppel-SID an Klangfülle gewinnen, er ist also
eine lohnende Spielerei.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie es zu diesem seltsamen
Effekt kommen kann. Und vermutlich erklärt die Antwort schon einen
Teil der unterschiedlichen Reaktion verschiedene Tunes auf diese interessante
SID-Modifikation. Der zweite SID kann nicht mehr ausgelesen, aber durchaus
beschrieben werden. da seine RW-Leitung ständig auf LOW liegt, benutzt
er jedes Signal auf der Datenleitung als Input. Wird nun ein Register des
original-SIDs (SID 1) beim Abspielen einer Musik ausgelesen, gelangen diese
Daten auf den Datenbus und schwups werden sie vom zweiten SID (SID 2) als
Input benutzt. Jeder Lesezugriff auf SID 1 wirkt sich also als Schreibzugriff
auf SID 2 aus. Es ist nachvollziehbar, dass nun, je nach Registerzustand
des zweiten SIDs, die seltsamsten Erscheinungen möglich sind.
Wer eine genaue Erklärung der Phänomene rund um den Doppel-SID
geben kann, ist herzlich aufgefordert sein Wissen der Allgemeinheit zur
Verfügung zu stellen. Für all jene, die kein Interesse an der
tonlosen Theorie sondern mehr an der klangvollen Praxis haben, ist die
in diesem Heft abgedruckte Bauanleitung für einen PSS zu empfehlen.
Der, der es gehört hat, kann es bezeugen: Es ist wahrhaftig ein
lohnendes Erlebnis!
* Text:
Dr. Reinhard Kratzberg, Design und Technik: Skern |
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Teileliste
für den Pseudo-Stereo-SID |
1
x |
SID
(alt oder neu, passend zum existierenden) |
1
x |
NPN
Transistor (PN2222, BC547 oder BC237) |
2
x |
1
k Ohm ¼ Watt Widerstand |
2
x |
10
k Ohm ¼ Watt Widerstand |
2
x |
10
µF Kondensatoren (25V), gepolt |
2
x |
1000
pF Kondensatoren |
2
x |
2200
pF Kondensatoren |
3
x |
IC-Sockel
mit 28 Pin (normal) |
Befestigungsmaterial,
Draht und Buchsen/Stecker |
Bauplan
für den Pseudo-Stereo-SID |
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[Bitte
klicken zum Vergrößern]
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Design: Skern |
Hinweise |
Bitte
nicht an den SIDs rumlöten, immer Sockel verwenden. Der zweite SID
(SID 2) wird huckepack auf dem ersten aufgesteckt, die gesondert zu verdrahtenden
Beinchen sind am Sockel vorher seitlich abzubiegen. Der pseudo Stereoeffekt
kann manchmal zu Disharmonien führen. Werden PIN 8 von SID 1 und SID
2 nicht direkt verbunden, sondern wird die gestrichelt eingezeichnete Lösung
mit einem Schalter verwendet, dann kann durch Verbinden der CS-Leitung
mit HIGH (+5V) der Schreibzugriff auf den zweiten SID stillgelegt werden.
Der pseudo Stereoeffekt verschwindet. |
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